Brecht im Kofferraum

Aufsätze • Anekdoten • Abschweifungen

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ISBN: 978-3-85409-452-4

220 Seiten

12,5 x 20,5 cm

Broschur

 16,80

Beschreibung

Meine ersten Erinnerungen an Bertolt Brecht sind mit einem Lesebuch verbunden, das ich Anfang der siebziger Jahre im Foyer der Arbeiterkammer Vöcklabruck erstand. Es handelte sich dabei um ein in Kommunistenkreisen gern gelesenes Buch, das in der Sowjetunion gedruckt worden war und in erster Linie jene Texte enthielt, die Brecht als strammen Dichter des Proletariats auswiesen. Brechts späte Abrechnung mit Josef Stalin oder seine erotischen und pornographischen Gedichte hatten in diesem Sammelband ebensowenig Platz wie seine skeptischen Aufzeichnungen über die Entwicklung in der DDR oder seine Konflikte mit Teilen des kommunistischen Parteiapparats.

Ich bin mir ziemlich sicher, daß diesem Buch als Motto Brechts berühmtes Gedicht »Fragen eines lesenden Arbeiters« vorangestellt war. Da mein Vater als Arbeiter sozusagen Subjekt dieses Gedichts war, las ich ihm einmal in unserer Küche in Timelkam diesen Text vor, in der Hoffnung, ihn für die Anliegen des internationalen Proletariats zu gewinnen. Meinen Vater ließ dieses Gedicht allerdings ziemlich kalt und er empfahl mir dringend, mich lieber meinem Studium zu widmen, als ihn mit solchem »Blödsinn« zu belästigen. Diese Reaktion bestätigte meine Befürchtungen, daß auch er bereits ein ideologisches Opfer der Sozial-partnerschaftspolitik in Österreich geworden war und sich mehr für Garagentore und Balkongeländer als für den Klassenkampf interessierte.

Selbstverständlich ließ ich mich von solchen marginalen Rückschlägen nicht davon abhalten, mich weiterhin aktiv im Kommunistischen Studentenverband in Salzburg zu betätigen und mich dem Studium der Werke Brechts zu widmen. 

Kurt Palm

geboren 1955 in Vöcklabruck. Seit ca. 1962 Tätigkeiten als Ministrant, Fußballspieler, Autostopper und Nachtwächter. Nach dem Studium der Germanistik und Publizistik als Regisseur, Autor und Volksbildner aktiv. Schreibt Bücher (zuletzt: Der Brechreiz eines Hottentotten. Ein James-Joyce-Alphabet von Aal bis Zahl, Löcker 2003, und Der Mozart ist fett und wohlauf. Essen und trinken mit Wolfgang Amade Mozart, Löcker 2005) und dreht Filme (zuletzt: Der Wadenmesser oder Das wilde Leben des Wolfgang Mozart).

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