Im Rahmen einer Kunstaktion auf der 7. Berlin Biennale erlaubten vier Ärzte Einblicke ins Körperinnere. Der Katalog ermöglicht, die Berührungsflächen zwischen Medizin und visueller Kunst in den Blick zu nehmen.
„Ein Tumor ist Chaos“, erklärt der Wiener Gastroenterologe Michael Häfner, während er im Maleranzug mit einem Pinsel hantiert und in roter, blauer und schwarzer Acrylfarbe, die er in Schichten auf eine mehrere Quadratmeter große Papierwand aufträgt, Schleimhautgeschwülste im menschlichen Dickdarm malt. Normalerweise verwendet er als Arbeitsinstrument ein Endoskop, eine kleine Kamera, die in den menschlichen Körper eingeführt wird, um Erkrankungen im Magen- und Darmtrakt darzustellen und zu behandeln. Er ist einer von vier Ärzten, die eingeladen waren, im Juni 2012 an einer künstlerischen Versuchsanordnung mitzuwirken.
Während der im Rahmen vom polnischen Videokünstler Artur Zmijewski kuratierten 7. Berlin Biennale beschäftigten sich die Mediziner mit Fragen, wie etwa eine Person gegenwärtig zum Patienten oder zur Patientin wird, welche Rolle die Zeichnung in der klinischen Arbeit spielt oder wie im Operationssaal eine Situation hergestellt wird, die es dem Operateur oder der Operateurin ermöglicht, in einen lebenden Körper zu schneiden. Im Vorfeld der Veranstaltung vorbereitete und zudem extra dafür hergestellte Videomaterialien von Operationen, Chirurgielehrfilme und Aufnahmen vom Körperinneren erzeugten – mit Hilfe von Mitteln des Theaters und des Films – eine absorbierende Stimmung. Das Augenscheinliche wurde am eigenen Leib spürbar.
CHRISTINA LAMMER lebt und arbeitet als unabhängige Soziologin und Künstlerin in Wien. Schwerpunktmäßig beschäftigt sie sich mit der Körperwahrnehmung in Medizin und Kunst.
ARTUR ZMIJEWSKI Foto-, Video- und Aktionskünstler, lebt in Warschau; Kurator der 7. Berlin Biennale, zahlreiche Ausstellungen und Kunstaktionen, zum Beispiel die Fotoserie „Auge um Auge“ oder die Ausstellung „Singing Lesson“ mit gehörlosen bzw. schwerhörigen Jugendlichen.