Eine Frau ist immer zu alt und nie nie zu jung! Das Gesetz schreibt uns vor: von vierzehn an! Aber das Gesetz ist nicht von Künstlern enworfen. Unser Geschmack sagt: In jedem Alter, wenn du nur schön bist! Freilich heißt es da wie in der Bibel: Er hatte ein .Auge auf sie geworfen!? Aber wirklich nur das Auge, dieses ideale Lustorgan!“ (Peter Altenberg: Fechsung, 1915)
Es wurde Abend.
Er saß zwischen den beiden Kindern auf einer Bank an der Esplanade.
Margueritta legte ihr blondes Köpfchen auf seinen Schoß und schlief ein – –.
Rosie saß da und blickte auf den See hinaus – –.
Beide weißen süßen Kinderseelen waren ihm zugeflogen.
Aber wirklich liebte ihn nur Margueritta und wirklich liebte er nur sie.
Was ist das „wirklich“?!
Über der anderen schwebte das Schicksal. In ihr sang es: „O, meine Berge – – –“.
Und doch küßte sie ihn so sanft und sagte: „Du, Herr Albert – – –“
Der junge Mann fühlte die Tiefe.
Die Mutter sagte einfach: „Rositta ist schwer zu behandeln. Ich sehe darauf, daß sie viel schläft. Ich möchte Aufregungen von ihr ferne halten – – –“
Auch das Mutterherz fühlte das „schwebende Schicksal“.
Der junge Mann behandelte beide gleich. Beide küßte er, mit beiden ging er Hand in Hand über die Esplanade, mit beiden ruderte er in den Abendstunden langsam auf und ab – – –.
Beiden schenkte er zum Abschied, im Herbst, zwei goldene Kuhglöckchen als Brosche, mit dem eingeätzten Wort „Seeufer“.
Rositta sang am nächsten Morgen in der Stadt mit ihrer Altstimme: „O meine Berge, meine Berge – !“
Es war doch ein Lied – – ein Lied!
Margueritta hörte zu und dachte: „Du Dichterin, du Sängerin – – – !“
Dann sagte sie einfach: „Rosie, Rosie, du bist übertrieben – – – !“
(Neun und elf, aus: Wie ich es sehe, 1896)