Bildung ist in den letzten Jahren zum gesellschaftlichen Megathema avanciert. Dabei wird allerdings kaum je die Frage diskutiert, wie Bildung organisiert werden soll, damit möglichst viele Menschen zu Selbstbewusstsein und Mündigkeit gelangen. Es geht nahezu ausschließlich darum, menschliches Lernvermögen für Konkurrenzfähigkeit und wirtschaftliche Verwertung in Dienst zu nehmen. Pädagogik wurde auf diese Art zum Hauptinstrument der Ausbeutung des Menschen. Im Informationskapitalismus wird diese nicht mehr mittels autoritärer politischer Strukturen, sondern über die Ideologie der »Bildung zur Brauchbarkeit« bewerkstelligt. Wie nahezu alle Aspekte menschlichen Daseins, gewinnt heute auch das Lernen nur mehr über den am Markt generierten »Wert« Bedeutung. Es muss sich rentieren indem es zum Sieg im Konkurrenzkampf »Jede/r gegen Jede/n« beiträgt. Die Texte dieses Buches sind im Bewusstsein der revolutionären Herkunft der Bildungsidee verfasst. Der Begriff Bildung stellte anfänglich ja genau das Gegenteil eines Synonyms für die Unterwerfung unter Vorgaben dar, die den gegebenen Machtverhältnissen entspringen – er war Ausdruck der Vision einer Überwindung derselben. Unter den aktuellen gesellschaftlichen Gegebenheiten stellt die alles durchdringende Dominanz des (Tausch‑)Werts das bedeutendste Mittel der Machtausübung dar. Bildung kann ihre ursprüngliche gesellschaftstransformierende Potenz unter diesem Umständen nur wiedergewinnen, wenn sie als wertlos begriffen wird.
Erich Ribolits, Institut für Bildungswissenschaften der Universität Wien, Lehrbeauftragter an mehreren österreichischen Universitäten. Forschungsschwerpunkt: Verhältnis von Arbeit, Bildung und Gesellschaft.