»Seit 1934 und mehr noch seit 1938 rebellisch, aber nicht allein durch das, was geschah, sondern noch mehr vom Hammer des Gewissens, der in Gedichten schlägt, getroffen, begann ich selbst Gedichte zu schreiben: Gedichte, die auf meine Weise öffentliche Fäulnis, allgemeine Schuld, Terror, Krieg und Völkermord verewigen sollten. Sie sind alle aus der Gegenwart geschöpft, ganz direkt, von wissenschaftlicher Analyse und theoretischen Schlüssen unabhängig. Derlei Anwendung ist nicht ihr Zweck. Meine Aufgabe war, das wild Erlebte, kraß Empfundene, Schmerz und Empörung unmittelbar auszudrücken. Das bedarf einer großen Entschiedenheit im Tatsächlichen, das allenthalben typisiert, fragmentiert, symbolisiert und ins Fabelhafte verzweigt wird.
Zugleich bleibt die Aussage jedes einzelnen Gedichts historisch kompetent, und von jeder Konjunktur, die ich erlebte, unabhängig, ganz Affekt und Attacke.«
MICHAEL GUTTENBRUNNER, geb. 1919, besuchte die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Schon 1935 und 1938 aus politischen Gründen verfolgt und eingesperrt, wurde er 1940 zur Wehrmacht eingezogen; 1944 wegen Widersetzlichkeit zu einer Kerkerstrafe verurteilt, doch zur „Frontbewährung“ begnadigt. Zurückgekehrt nach Kärnten, redigierte er u.a. die Zeitschrift der Kärntner Partisanen „Die Einheit“. 1954 erhielt er den Georg Trakl-Preis für Lyrik,1966 den Österreichischer Staatspreis für Lyrik, 1987 den Kulturpreis des Landes Kärnten,1994 das Ehrendoktorat der Universität Klagenfurt und 2004 den Theodor Kramer Preis.